Vorspann und Einführung
Geheimnisvolle Kräfte, die dem legendären Aikidogründer Morihei Ueshiba (1883–1969) nachgesagt werden – ein Mythos? Ebenso wie den Meistern verschiedener japanischer und chinesischer „innerer“ Kampfkünste, deren Kräfte weit über das Vorstellbare hinausgehen. Spielen dabei Faszien, die erst vor wenigen Jahrzehnten entdeckt wurden, eine Rolle? Die Forschungen der letzten 30 Jahre lassen in vielerlei Hinsicht ein unglaubliches Potential vermuten.
Frühe Forschungsansätze, etwa im Rahmen der Rolfing-Methode und neuartiger Faszien-Fitness-Methoden, werfen die Frage auf, ist dieses Netzwerk möglicherweise die körperliche (anatomische) Basis jener „Inneren Kraft“, von der es einst hieß, sie sei unerreichbar?
Und was das neue Wissen über Faszien für unsere Gesundheit, für unser alltägliches Leben künftig bedeutet, läßt sich im Moment nur erahnen.
Sind sie darüber hinaus vielleicht sogar identisch mit den geheimnisvollen Meridianen der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM)?
Wer sein Ei gepellt oder den Sonntagsbraten vorbereitet hat, kennt diese dünnen, milchig-weißen Häutchen – elastisch, zäh, und für den Verzehr nicht geeignet. Auch im menschlichen Körper durchziehen elastische Faszien den gesamten Organismus. Sie umhüllen Muskeln, sogar jede einzelne Muskelfaser, Nerven und Organe, halten diese an ihrer Position und verbinden alles zu einem faszialen Netzwerk.
Dieses Netzwerk gibt unserem Körper Struktur und unterstützt den Kreislauf der Lymphe. Zudem korrespondieren unzählige Rezeptoren und Nervenendungen darin direkt und ständig mit unserem Gehirn. So registrieren sie unterschiedlichste Reizqualitäten und -intensitäten und ermöglichen uns die Eigenwahrnehmung von Lage und Bewegung im dreidimensionalen Raum, bekannt als Propriozeption, die Außenwahrnehmung.
Das neue Innen
Ein spannendes Thema der Faszienforschung ist die Interozeption *) – unsere Fähigkeit, körperinterne Signale wahrzunehmen. Offenbar sind in den Faszien wesentlich mehr Nervenendigungen verankert als bislang gedacht, die uns nicht nur Spannungszustände, sondern sogar Emotionen wie Freude, Liebe, Zorn oder Angst fühlen lassen.
Für Aikido-Praktizierende ist dieses Wissen besonders wertvoll: Aikido gelingt nur im gegenwärtigen Moment, wenn äußere Bewegungsabläufe mit einer feinen inneren Wahrnehmung verschmelzen (s. a. der innere Beobachter). Durch bewusstes Spüren und Hineinfühlen entwickeln wir Bewegungsmuster und verankern sie in unserem Körpergedächtnis. Noch intensiver erleben wir diese Verbindung beim physischen Kontakt mit anderen – sei es beim Händedruck oder in zärtlichen Berührungen zwischen Liebenden. Bücherregale voller Fachliteratur belegen schon die herausragende Rolle liebevoller Berührung in der Mutter-Kind-Bindung.
Im Aikido jedoch versuchen wir, diesen Kontakt auf eine weitaus anspruchsvollere Ebene zu heben, wenn wir mit einem aktiven Angreifer interagieren. Hier zeigen sich die größten Herausforderungen: Eine zu früh oder zu spät einsetzende Verteidigung führt selten zum Erfolg. Entscheidend ist die geistige Kontaktaufnahme – das feine Erfassen der vollendeten Angriffsabsicht. Und erst jetzt können wir den Angreifer wirksam annehmen, umlenken und kontrollieren. weil der körperliche Angriffsakt sich noch im Vollzug befindet.
*) Weitergehende Informationen zum Thema Nervenendungen in den Faszien und Interozeption siehe folgendes Interview mit Prof. Dr. Robert Schleip in der Zeitschrift NATURHEILPRAXIS 05/2024 ‒ „Überall in unserem Körper“.
Somit könnten die Faszien möglicherweise ein wichtiger Baustein auch bei der Transformation unseres vom Leben geprägten „Alltags“körpers hin zu einem „Aiki“körper sein. Der wäre nicht nur den Anforderungen einer Kampfkunst deutlich besser gewachsen.
Wobei aber erst das Zusammenspiel von Skelett, Muskeln, Sehnen, Gelenke, Faszien und Atmung gewissermaßen den körperlichen „Unterbau“ des Aikikörpers bildet.
Die Anfänge der Faszienforschung
Westliche Wissenschaftler erkennen erst heute zunehmend die zentrale Rolle der Faszien für Beweglichkeit, Schmerzempfinden und das allgemeine Wohlbefinden. In der Medizin waren sie zwar bekannt, hat sie aber eher wegpräpariert als wenig interessantes „Verpackungsmaterial“.
Hier waren es eher die alternativen Heiler, die sie intuitiv in ihre Behandlungen integrierten.
Mitte des 20. Jahrhunderts legte Ida Rolf, eine amerikanische Biochemikerin, mit ihrer Methode des Rolfing den Grundstein zur Entwicklung der heutigen Faszienforschung. Sie betrachtete den menschlichen Körper als ein System, in dem das Bindegewebe nicht nur stützt, sondern auch – im Zusammenspiel mit der Schwerkraft – Form und Bewegung beeinflusst.
In Deutschland wurde die Faszienforschung maßgeblich durch Prof. Dr. Robert Schleip von der Universität Ulm vorangetrieben. Er entdeckte, dass Faszien nicht nur passive Strukturen sind, sondern aktive Kontraktionen durch spezialisierte Zellen – die sogenannten Myofibroblasten – ausführen können.
Die Anfänge der Faszienforschung werden von Dr. Robert Schleip (Universität Ulm) auf unterhaltsame Weise kompetent dargestellt.
In den 1990er Jahren entwickelte Thomas Myers in den USA das Konzept der „Anatomy Trains“. Seine Arbeit kartierte myofasziale Leitbahnen, die das Fasziensystem im Körper beschreiben.
Im Rahmen einer Veranstaltung von Gespräche bei Google (engl., aber mit gut verständlichen deutschen Browser-Übersetzungen) berichtet er über seine Forschungsarbeit und seine Erkenntnisse.
Ebenfalls stellt Myers seine Überlegungen und Vorschläge vor für ein gesundes und, in seinen Worten, „dem menschlichen Körper entsprechendes Bewegungsverhalten als Korrektiv für die unterschiedlichen zivilisatorischen Anpassungsproblematiken“.
Und es gibt auch für Aikidoübende wertvolle Informationen über das fasziale Netzwerk, die für das Training sehr nützlich sein könnten.
Am Ende (ab 38:58) gibt Tom Myers gute Antworten auf zwei interessante Fragen aus dem Publikum.
Übrigens
Nach aktueller Lehrmeinung führen überbeanspruchte Muskeln durch Mikrotraumata bzw. Mini-Rissen in den Muskelfasern zu einem "Muskelkater". Da im umhüllenden Fasziengewebe viele Schmerzrezeptoren liegen, scheint es naheliegend, dass der Muskelkater eigentlich ein "Faszienkater" ist.
(Siehe hierzu das Video Dr. Schleip: Der Nutzen von Faszientraining für Sportler (und Aikido Übende!!!).
Die gesundheitliche Bedeutung der Faszien
Gesunde Faszien sind elastisch, gleitfähig und gut hydriert. Sie ermöglichen reibungslose Bewegungen und verteilen mechanische Kräfte im Körper. Doch Stress, Bewegungsmangel oder Verletzungen können zu Verklebungen und Verhärtungen der Faszien führen. Die Folge sind oft Schmerzen, Bewegungseinschränkungen und ein erhöhtes Verletzungsrisiko.
Faszien beeinflussen auch die Schmerzwahrnehmung, da sie viele Nervenenden enthalten. Chronische Schmerzen, für die keine organische Ursache gefunden wird, können häufig auf gestörte Faszien zurückgeführt werden.

Regelmäßige sanfte Bewegungen und gezielte Dehnübungen können die Faszien geschmeidig halten und zur Schmerzlinderung beitragen, die Mobilität fördern und Verletzungen vorbeugen – regelmäßiges Aikidotraining kann hier einen wertvollen Beitrag leisten.
Der sogenannte „altersbedingte“ Verlust an Elastizität und Schwung ist wohl oft im „verfilzten“, „verklebten“ und „spröden“ Bindegewebe zu suchen.
Ob diese Umschreibungen zutreffend sind, ist erstmal unerheblich.
Wichtiger ist vielmehr die gute Nachricht: der kollagene „Verfilzungsprozess“ ist aufhaltbar und teilweise sogar wieder rückgängig zu machen.
Damit wir noch lange jung und lebendig bleiben oder wieder werden.
Zukunft der Faszienforschung
Die Forschung steht noch relativ am Anfang. Neue Erkenntnisse über die Rolle der Faszien könnten die Medizin- und Bewegungswissenschaften revolutionieren.
In diesem Interview weist Dr. Schleip auf spannende Ansätze für Therapie und Prävention hin.
Der Geist bewegt den Körper,
aber der Körper
stellt dafür die Mittel bereit.
Faszien-Fitness und Aikido
In den letzten Jahren hat sich Faszien-Fitness als eigenständige Disziplin etabliert. Ziel ist es, die Elastizität und Funktionalität des Bindegewebes zu verbessern. Techniken wie federnde Bewegungen, dynamisches Dehnen und gezielte Massagen helfen, „Verklebungen“ zu lösen und die Faszienstruktur zu regenerieren.
Das kann uns Dr. Schleip im folgenden Video detaillierter erläutern.
Besonders in Kampf-/Bewegungskünsten wie Tai-Chi, Qi Gong, Cheng Hsin, Aikido oder Kinomichi spielt das fasziale Netzwerk eine zentrale Rolle.
Für die Entwicklung einer „Inneren Kraft“ könnten hier die physischen Grundlagen gefunden werden.
Damit einhergehende Fähigkeiten sind mit Begriffen wie „Chi“ (chin.) oder „Ki“ (jap.) beschrieben, welche die Lebensenergie im Körper repräsentieren. Auch wenn der Begriff „Faszien“ in den Herkunftsländern der Kampfkünste unbekannt war, wurden deren Möglichkeiten intuitiv genutzt.
Welchen Nutzen können Sportler allgemein und auch Aikido-Übende aus dem Faszientraining ziehen?
In einem weiteren Video erhalten wir interessante Informationen über den „6. Sinn“.
Markus Rhode, Aikido-Schule Essen, äußert sich hierzu aus seiner Sicht als Aikidolehrer wie folgt:
„Die Wirkung (der inneren Kraft im Aikido) beruht auf einer Konditionierung der myofaszialen Strukturen, die nur durch intensives spezielles Aiki-Training (Aiki-in-yo-ho) realisierbar ist, das körperliche und mentale Anteile hat.“
Stehen – Gehen – Bewegen
Füsse – Stehen – Gehen – Bewegen
Bedeutung der Plantarfaszie für unsere Bewegungsenergie (YouTube, 09.10.2019)
Vornehmlich in den „inneren“ Kampfkünsten wird richtiges Stehen und Gehen oft als Voraussetzung definiert. Beides ist aber auch und zuerst natürlicher Bestandteil unseres täglichen Lebens. Deshalb auch durchaus denkbar für eine Vermittlung außerhalb des normalen Aikido-Betriebes.
Praktisches Faszien-Fitness-Training zum Aufbau eines geschmeidig-kraftvollen Bindegewebes.
Ausblick
Die Erforschung der Faszien geht weiter. Künftige Studien werden klären, inwieweit das fasziale Netzwerk die „Inneren Kräfte“ der alten Meister physiologisch erklärt und welche neuen Ansätze sich daraus für Therapie, Prävention und Aikido‑Training ergeben. Möglicherweise kommen wir damit den geheimnisvollen Kräften der alten Meister ein gutes Stück näher.
Aber bereits jetzt bieten sich spannende Ausblicke für ein stärkeres Bewußtsein auf die „Grundlagen“ VOR den Grundlagen.
Bisher liegt beim Aikidotraining das Hauptaugenmerk vor allem auf einem kardiovaskulären Konditionstraining und der neuromuskulären Koordination, ggf. noch auf dem Aufbau der Muskulatur. Obwohl durch Asai Sensei und Noro Sensei (Kinomichi) spiralige Streckbewegungen und dynamisches Dehnen schon vermittelt wurden.
Es lohnt sich, die bereits vorhandenen Kenntnisse in den Übungen bewußter zu berücksichtigen. Sie sind schließlich auch Grundlage der Aikidobewegungen.
Die Teilnahme an Faszien-Fitnesskursen kann da sehr unterstützend und hilfreich sein. Werden hier doch die korrekten Ausführungen unterrichtet und eingeübt.
Eine Übertragung in die Bewegungsabläufe des Aikido ist dann auch kein Hexenwerk mehr.
Hier ist jeder einzelne gefordert, dies in bewusster Übung zu erspüren, zu erfahren. Nicht nur im Dojo-üblichen Partnertraining, sondern auch und vor allem im Solotraining außerhalb des Dojo.
Auch beim Aikido gilt der Grundsatz: es ist der Geist, der den Körper bewegt. Aber der Körper stellt dafür die Mittel bereit.
Den Meridianen der TCM auf der Spur?
Die gegenwärtige Erforschung des menschlichen Fasziennetzwerkes hat eine höchst interessante Nebenwirkung gezeigt.
Aktuelle Forschungsansätze deuten nämlich darauf hin, dass es interessante Überschneidungen zwischen dem menschlichen faszialen Netzwerk und den Meridianverläufen der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) geben könnte. In der TCM werden Meridiane als Kanäle für den Durchfluss der Lebensenergie „Qi“ beschrieben.
Einige Therapeuten und Forscher vermuten Parallelen zwischen den myofaszialen Leitbahnen und den TCM-Meridianen – eine These, die allerdings noch weitere Untersuchungen erfordert.
Wissenschaftliche Erkenntnisse und Diskussion
Die Arbeiten von Dr. Robert Schleip und Thomas Myers liefern zwar bereits tiefgehende Einblicke in die Funktionalität der Faszien. Dennoch lassen sich hieraus bisher keine eindeutigen wissenschaftlichen Beweise für eine direkte Übereinstimmung zwischen Faszien und den Meridianen der TCM ableiten. In zahlreichen Vorträgen und Veröffentlichungen wird allerdings die potenzielle Verbindung diskutiert, doch bleibt die Frage nach einer direkten Entsprechung vorerst noch offen. Weitere Forschung ist daher notwendig.
Studien und Forschungsergebnisse
Mehrere Übersichtsarbeiten verschiedener Autoren legen nahe, dass das Fasziennetzwerk des Menschen durchaus als anatomische Grundlage für die in der TCM beschriebenen Meridiane und für Akupunkturpunkte dienen könnte.
Zudem haben einige Studien qualitative und quantitative anatomische Übereinstimmungen zwischen Triggerpunkten und klassischen Akupunkturpunkten identifiziert – was ebenfalls auf eine Verbindung zwischen myofaszialen Strukturen und TCM-Meridianen hindeutet.
Kritische Betrachtung
Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass sich die Hypothese einer direkten Identität von Faszienstrukturen und TCM-Meridianen noch immer in der Diskussion befindet. Einige Studien weisen zwar auf potenzielle Zusammenhänge hin, doch bedarf es weiterer Forschungen, um diese Annahmen zu bestätigen..
Bis dahin sollten diese Erkenntnisse als hochinteressante Möglichkeit und nicht als gesicherte Fakten betrachtet werden.
Literaturhinweise
Beckmann, D. (2013). Die Zick-Zack-Linie. Düsseldorf: Autorenverlag.
Frantzis, B. K. (5. Aufl., 2017). Die Energietore des Körpers öffnen, Chi Gung für lebenslange Gesundheit. Windpferd Verlagsgesellschaft mbH, Oberstdorf.
Jacobs, D. (1990). Die menschliche Bewegung. (Dore Jacobs Berufskolleg, Hrsg.) Essen.
Myers, T. W. (2006). Anatomy Trains, Myofasziale Leitbahnen. München: Urban & Fischer Verlag.
Roumanoff, D. (1994). Kinomichi, Die Methode Noro. Heidelberg – Leimen: Werner Kristkeitz Verlag.
Schleip, R. & Bayer, J. (2014). Faszien Fitness. München: riva Verlag – Münchner Verlagsgruppe.
Waysun Liao (1996). Die Essenz des T’ai Chi. München: Droemersche Verlagsanstalt Th. Knaur Nachf.
Xander, H. (2011). Sensationen in den Sehnen. Zornheim: intendons e. K.
Weblinks
Prof. Dr. Robert Schleip, Faszienforscher an der Universität Ulm, Humanbiologe, Certified-Advanced-Rolfer, Feldenkrais Lehrer.
Der Hype um verklebte Faszien. Von Rückenschmerzen und Faszien: Das bringen Übungen mit der Faszienrolle. Dr. Julia Fischer | ARD Gesund. (15.08.2024).
Bewegen wie die Meister, Himmelfahrt-Seminare in Damme bzw. Osnabrück mit Dirk Beckmann, Faszien-Fitness-Trainer und -therapeut, Düsseldorf.
Kinomichi® ‒ hervorgegangen aus dem Aikido, geboren in der Begegnung östlicher und westlicher Kultur.
Cheng Hsin, durch bedingungslose Entspannung kraftvoll und mühelos handeln ‒ im heiterem Spiel auf der Matte sich selbst kennenlernen und seine Effektivität steigern.
arte.tv Faszien – Geheimnisvolle Welt unter der Haut. Die Faszien als massgeblicher Schlüssel zur Körpergesundheit.
Wie Faszien uns mit uns selbst verbinden, „Überall in unserem Körper“ ‒ Nervenendungen in den Faszien und Interozeption.
Ein toller Beitrag – faszinierend und vielschichtig!
Er gibt einen umfassenden Überblick über das Thema „Faszien“ und damit zusammenhängende Themenkomplexe: Gesundheit – Sport – Bewegung und wie das alles zu Aikido passt. Es wird deutlich, dass und warum Aikido auf runde, fließende Bewegungen größeren Wert legt als auf schnelle „harte“ – für die Faszienstruktur ist es wichtig, dass dies Gewebe langsam gedehnt wird anstatt ruckartig ausgelenkt wird.
Daraus ergibt sich auch ein Zusammenhang zur traditionellen chinesischen Medizin (TCM), die ja auch Wert legt auf ein möglichst ungehindertes Fließen entsprechend den – nach chinesischer Vorstellung – Energiebahnen des Körpers. All dies wird auf der vorgestellten Seite sehr deutlich.
Aber es finden sich auch zahlreiche Beispiele und Anknüpfungspunkte zur modernen Schulmedizin, die hier vorgestellt werden: die medizinische Perspektive wird umfassend dargelegt durch Prof. Schleip oder auch die sehr lebendige Präsentation von Tom Myers. Interessantes Beispiel der Verweis auf den Unterschied im Bewegungsablauf des Golfspielers T. Woods früher und nach der Berücksichtigung der neuen Erkenntnisse über Bewegungsabläufe.
Kurz: die Seite gibt wirklich zahlreiche und interessante Anknüpfungspunkte zu dem Thema.
Natürlich gibt es auch eine Reihe von Verweisen für diejenigen, die mit dem praktischen Training anfangen wollen.
Ralph Günther
Ein hervorragender Beitrag, der mich als Arzt und Manualtherapeuten angeregt hat, mich noch intensiver mit dem Fasciensystem auseinanderzusetzen.
Sehr interessant die Bemerkung von R. Schleip über unseren „sechsten Sinn“, die Körperwahrnehmung, welcher nach meiner Erfahrung im Aikidotraining viel zu wenig Beachtung geschenkt wird.
Zum Beispiel ist „entspannt“ beim Aikido leider allzuoft alles andere als entspannt, obwohl gerade Aikido den Raum für echte Entspannung und Mühelosigkeit öffnen könnte.
Als Anregung kann ich hier nur das Studium der Bücher von ChengHsin Begründer Peter Ralston empfehlen, hier vor allem „Zen Bodybeing“.
Die ChengHsin Prinzipien lassen sich ohne weiteres in das Aikidotraining integrieren und eröffnen ganz neue Horizonte.
Hallo Jürgen,
vielen Dank für Deinen kompetenten Kommentar. Nicht nur der Entspanntheit habe ich mit „der neuen Leichtigkeit des Seins“ einen eigenen Beitrag gewidmet. Hier habe ich einige europäische Methoden aufgezeigt, bei denen der Erwerb körperlicher und geistiger Entspanntheit erklärtes Ziel ist. In all meinen aktiven Aikidojahrzehnten habe ich niemanden getroffen, bei dem ich eine nennenswerte Entspanntheit wahrnehmen konnte. Das ist im Aikido-Curriculum einfach nicht angelegt.
Wir hatten ja in unserem letzten Telefonat auch über Cheng Hsin gesprochen. Das war für mich der Anlass, mir im Internet weitergehende Informationen zu suchen. Und in dem Absatz „Faszien-Fitness und Aikido“ zu erwähnen und zu verlinken. Was ich jetzt auch zusätzlich im Absatz „Weblinks“ nachgeholt habe.
Da auf dem Weg zum Aiki-Körper die Fähigkeit zur Entspanntheit ein entscheidender Baustein unter anderen ist, sehe ich eine aktive und intensive Beschäftigung mit Cheng Hsin als sehr hilfreich an für eine eigene überzeugende Aikidoentwicklung.
Denn ohne diese Fähigkeit ist Aikido auch kein besonderer Zugewinn für unseren gelebten Alltag.
lieber klaus,
vielen dank für Deinen neuen beitrag zu aikido-gedanken!
ich stimme Dir zu, dass faszien lange unbekannt und unbeachtet waren. und es ist gut, diese genauer zu verstehen und welchen beitrag sie zu unserer beweglichkeit liefern. allerdings können sie nicht DIE quelle für das, was in ostasien ki oder chi genannt wird, sein. sie sind meines erachtens ein teil davon. muskeln spielen weiterhin eine rolle, aber auch atmung und was wir als „innere haltung“ bezeichnen. das alles zusammen koordiniert in einem kurzen augenblick eingesetzt, kann zu solchen effekten führen, wie wir sie in videos von o-sensei, shioda oder yamaguchi und watanabe sehen können.
und dann noch einen hinweis zum thema „entspanntheit“. unsere haut enthält mehrere voneinander unabhängige nervensysteme: für schmerz, druck, temperatur. und eines speziell für sozialen körperkontakt, berührung. dies ist auch erst in den letzten 20-30 jahren ein forschungsthema geworden. dieses system wird angesprochen, wenn man körperlich einen anderen menschen „streichelt“ und zwar mit einer bestimmten geschwindigkeit, druck und eigenen entspanntheit in der muskulatur der hand. diese art von berührung signalisiert: ich bin Dir wohl gesonnen, keine angst, kein schmerz. und andererseits kann man mit einer solchen berührung den berührten menschen „lesen“: richtung der nächsten bewegung, krafteinsatz und erstaunlicherweise auch die emotionen des anderen. es gibt ein wunderbares buch dazu: rebecca böhme. human touch. trotz englischen titels in deutsch geschrieben 🙂
liebe grüße, thomas
Lieber Thomas,
vielen Dank für Deinen umfassenden Kommentar. Im ersten Moment hast Du mich aber etwas irritiert. Denn natürlich ist das fasziale Netzwerk NICHT die QUELLE von Ki/Chi im Sinne von Herkunft, Ursprung. Deshalb habe ich bereits in der Einleitung sowie an verschiedenen anderen Stellen nur von der Möglichkeit einer körperlichen Grundlage gesprochen. Der Begriff Faszien war im alten China bzw. Japan nicht bekannt. Aber die der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) zugrundeliegenden Erkenntnisse hatten in den sog. „Inneren Kampfkünsten“ maßgeblich zur Ausbildung der inneren Kraft (Aiki) beigetragen.
Und dann noch Danke für Deinen weiteren Hinweis auf die Interozeption, die Innenwahrnehmung. Ich habe das aufgegriffen und noch einige Informationen unter dem Zwischentitel „Das neue Innen“ einschließlich eines wiederum sehr aufschlussreichen Interviews mit Dr. Schleip hinzugefügt.
Liebe Grüße nach Bonn
Lieber Klaus,
ergänzend zu Deinen Literaturhinweisen kann ich sagen, dass es eine noch lieferbare „vollständg überarbeitete und aktualisierte Neuauflage“ (5.Auflage 2017) Deines erwähnten Buches von Bruce Frantzis gibt. Der Titel ist etwas anders als beim Erscheinen 1995. „Die Energietore des Körpers öffnen. Chi Gung für lebenslange Gesundheit“ …. ein umfassendes Werk mit zahlreichen illustrierten Übungen.
beste Grüße
Thomas
Lieber Thomas,
danke für deine Aufmerksamkeit. Habe ich in den Literaturhinweisen aktualisiert.
Nach unserem Telefonat heute nachmittag habe ich mir diese neue Ausgabe bestellt und bekomme sie wohl noch Ende dieser Woche. Bin mal gespannt.