Wer sich krampfhaft bemüht, keine Fehler zu machen, macht selten etwas wirklich richtig. Eine akzeptierte Fehlerkultur wäre eine evolutionäre Notwendigkeit. Genau wie die Natur könnten auch wir Menschen durch Fehler lernen. Wir sind schließlich Teil der Natur.

Wer viel arbeitet, macht auch viele Fehler.
Wer wenig arbeitet, macht wenig Fehler.
Nur wer nicht arbeitet, macht auch keine Fehler.

Kalenderspruch unbekannter Herkunft

Bedauerlicherweise sind wir immer noch einer Fehlervermeidungskultur verhaftet, die eine lange Tradition aufweist. Fehler waren und sind etwas Negatives, die tunlichst zu vermeiden waren und entsprechend geahndet wurden. Körperliche Züchtigungsmaßnahmen von Schulkindern wurden erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts von der Nachkriegszeit bis in die späten 1960er Jahre langsam aufgegeben.

Daher nimmt es auch nicht wunder, dass sich eine üble Verhaltensweise großflächig durchsetzen konnte. Nämlich bei aufgetretenen Fehlern die Schuld grundsätzlich erst einmal anderen anzulasten oder auf sogenannte widrige Umstände abzuwälzen.

Wer aus seinen Fehlern nichts lernt (lernen will/kann),
ist dazu verdammt, sie zu wiederholen.

frei interpretiert nach einem Zitat von George Santayana (1863-1952), Philosoph, Schriftsteller und Literaturkritiker

Von richtig und falsch –
Ergebnis-Orientierung vs. Prozess-Orientierung

Die meisten Menschen müssen in Schule, Studium oder Beruf klar definierte Leistungen erbringen. Im beruflichen Umfeld ist damit oft eine gewisse Freizügigkeit in Bezug auf Zeiteinteilung (Gleitzeit), selbständiges und eigenverantwortliches Arbeiten verbunden. Arbeitsabläufe werden häufig zu „Projekten“ umdefiniert. Wann, wo und wie so ein Projekt erstellt, erarbeitet wurde, ist da eher nebensächlich. Auftragsbeschreibung und Abgabezeitpunkt sind die neuen Kennmarken. Es interessierte vorwiegend nur das Ergebnis. (Irgendwie fallen mir bei dieser Entwicklung so Dinge ein wie Selbstausbeutung, Mobbing, Burn-out-Syndrom.)

Die Erwartungshaltung vieler unserer neuen Teilnehmer ist dieser Konditionierung geschuldet. Sie sind daher auch völlig irritiert, wenn ich Ihnen gleich zu Beginn ihrer ersten Übungsstunde verdeutliche, dass sie, was auch immer sie unternehmen, nichts richtig machen können.

Aikido ist ein Übungsweg und
durch prozesshaftes Heranreifen
gekennzeichnet.

Es beruhigt dann wieder ein wenig, wenn ich sie wissen lasse, dass sie ebensowenig falsch machen können.

Denn Aikido ist ein Übungsweg und durch prozesshaftes Heranreifen gekennzeichnet. Ein wie auch immer definiertes Ziel erreichen zu wollen, ist eine schnellstens aufzugebende Illusion. „Denn hinterm Horizont geht‘s immer weiter. Und ein Ende wird nie in Sichtweite kommen!“

Rückblick

Nach einer gewissen Zeit fordere ich gerne mal dazu auf, einmal rückblickend sein Üben JETZT mit dem vom Anfang zu vergleichen. Der bereits erzielte Fortschritt, besser das Voranschreiten auf dem Weg, wurde bislang immer spontan erkannt. Was sehr motivierend sein kann und durchaus von Zeit zu Zeit wiederholt werden sollte.

Diese Wahrnehmung läßt deutlich das prozesshafte erkennen, veranschaulicht aber auch, das dieser Prozess nie gleich verläuft. Er kann ziemlich steil nach oben gehen, aber auch gradlinig verlaufen mit nur leicht steigender Tendenz. Oder auch mal zum Stillstand kommen.

Wer allerdings bereits viele Jahre oder sogar Jahrzehnte diesen Übungsweg geht, kommt aus diesem „Prozess“ wohl kaum noch heraus.

Zuschauer und Beobachter

Ist das nicht dasselbe? Nicht wirklich. Ein Zuschauer orientiert sich an einem äußeren, mehr oder weniger spektakulären Geschehen. Er ist an dem, was er sieht und hört, neugierig und wertend beteiligt.

Am eindrucksvollsten zu erkennen bei Spielen der Fußball-Bundesligen. Hier fiebert er mit seiner Mannschaft, feuert sie an, ärgert sich lauthals über den Schiedsrichter und lässt seinen Emotionen manchmal freieren Lauf als angemessen.

Der Beobachter hingegen steht einem äußeren Geschehen in einem inneren Abstand gegenüber, ohne zu werten.

Der „innere“ Beobachter

Vollkommen präsent im gegenwärtigen Augenblick ist der Beobachter auf ein inneres Geschehen äußerer Bewegungsabläufe konzentriert. In den körperlichen Aikido-Übungen nimmt er genau wahr, WIE wir machen, WAS wir machen; insbesondere auch, was wir spüren und fühlen.

Ohne Wertung – Ohne Urteil

Er lobt nicht, wenn sich eine Übung als besonders gelungen anfühlt, und missbilligt nicht, wenn sie durch einen Fehler nicht funktioniert.

Der „innere“ Beobachter zeigt nur auf und lässt uns die Wahl, bei der Wiederholung der Übung das wahrgenommene zu berücksichtigen. Auf diese Weise lässt sich durch Fehler wunderbar lernen.

Da unser Geist-Körper ein vernetztes Ganzes bildet, haben Fehlerkorrekturen an einer Stelle immer auch Auswirkungen auf das gesamte System.

Darum dürfen wir, ja müssen wir sogar, in unserem Aikido-Üben Fehler geschehen lassen.

„Ich bin der Beobachter und der Beobachtete.“

Ein kluger Mensch lernt auch aus den Fehlern anderer!

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